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Flöz Mentor und eine tiefgefrorene
Möllersäule
Im Rahmen unseres Jahresprogramms 2009 fuhren wir am 21.
Juni mit 37 Teilnehmern zur Henrichshütte nach Hattingen – Welper.
Zuerst besichtigten wir das Bessemer – Stahlwerk, wo wir einen Film über die
Begradigung der Ruhr im Jahre 1959 sahen. Dieses gigantische Ingenieurwerk
war notwendig geworden, damit die Henrichshütte ausgebaut und erweitert
werden konnte.
Erz, Kohle und ein Fluss lockten 1854 einen Adligen aus dem Harz zur
Firmengründung an die Ruhr. Die einstige Hütte von Graf „Henrich“ zu
Stolberg – Wernigerode wuchs über Jahrzehnte zu einem riesigen Werk zur
Herstellung von Produkten aus Eisen und Stahl.
150 Jahre lang sprühten Funken, wenn die Hochöfen der Henrichshütte das
flüssige Eisen ausspuckten. Heute wurde für uns die Geschichte von Eisen und
Stahl wieder lebendig. Über 10 000 Menschen arbeiteten auf dem riesigen
Industrieareal. Sie produzierten Koks, Eisen und Stahl, gossen, walzten und
schmiedeten das Metall.
Gegen großen Widerstand wurde 1987 der letzte Hochofen in Hattingen
ausgeblasen. Er ist heute der älteste noch erhaltene Hochofen im Revier.
1989 übernahm der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die wesentlichen Bauten
mit dem dazugehörigen Inventar, darunter die riesige Erzbrücke,
Winderhitzer, Masselgießmaschine sowie etliche Kilometer Gleisstränge und
Rohrleitungen. Vor der Sprengung des Stahlwerks übernahm das Museum
Konverter, Kokillen und Gussstücke.
2004 wurde mit der Schmiede der letzte Heißbetrieb der ehemaligen Hütte
stillgelegt. Nach und nach bevölkerten mittelständische Unternehmen und
Freizeitanbieter den neuen HenrichsPark und sorgten für den Strukturwandel
an der Ruhr.
Geleitet von einem sachkundigen Führer begangen wir unseren Rundgang im
Labor, wo wir eine in flüssigem Stickstoff erstarrte und vertikal
aufgeschnittene Möllersäule bestaunten. Durch das Einfrieren wurde ein
Einblick in eine Hochofenbefüllung mit den abwechselnden Schichtungen aus
Erz, Kohle und Kalk bis zum Roheisen ermöglicht. Beim Aufstieg auf die
Erzbrücke entdeckten wir das zu Tage tretende Steinkohlenflöz Mentor. Wegen
der Kohle war ja der Graf Henrich an die Ruhr gekommen. Leider waren die
vorhandenen Flöze nicht abbauwürdig.
Auf unserem weiteren Weg vom Erz zum Roheisen folgten wir dem Materialfluss
vorbei an den Erz-, Kohle- und Kalktaschen, die der Bunkerung und Mischung
der Hochofenzutaten ( Möllerung ) dienten. Entlang der Erzbahngleise standen
an den Bunkern Tonbandanlagen über die wir den Originaltönen der ehemaligen
Hüttenarbeiter zuhören konnten. Sie berichteten über die schwere,
gefährliche und staublungenfördernde Arbeit in den Bunkern. Die Möllerung
wurde über Bänder zu den Schrägaufzügen an den Hochöfen gefördert.
Ein gläserner Aufzug führte unsere Seilfahrt hinauf auf den 55 Meter hohen
Riesen. Von oben genossen wir den atemberaubenden Ausblick auf Geschichte
und Gegenwart der Region.
Gefährlichster Feind der Hüttenarbeiter waren hier oben die Gichtgase,
besonders bei wechselnden Winden. Wir lasen die plakatierten Berichte der
Ehefrauen, die jeden Tag um die Rückkehr ihrer Männer bangten. Die
Lebenserwartung der Mitarbeiter war auch aufgrund der gesundheitlichen
Belastungen eingeschränkt.
Von der Spitze ging es Treppe für Treppe hinunter bis in die Gießhalle, ins
Herz der Hochofenanlage, wo das 1400 Grad heiße Roheisen abgestochen und von
der Schlacke getrennt wurde.
Nach der Stilllegung konnte sich die Natur im Firmengelände nach ihren
eigenen Regeln entwickeln. Wilder Majoran, stinkender Storchschnabel und
Götterbaum, aber auch Exoten, die als blinde Passagiere mit den Rohstoffen
aus aller Welt nach Hattingen kamen, sind hier zu Hause.
Im angrenzenden HenrichsPark, der auf 140 ha große Grünflächen, aber auch
100 verschiedene Unternehmen aus Industrie. Gewerbe, Dienstleistung,
Freizeit und Kultur aufzubieten hat, wanderten wir zu einem Ausflugslokal,
direkt am Ruhrufer, um unsere Kaffeepause zu genießen.
Gegen 17.00 Uhr erreichten wir wieder unseren Abfahrtort, wo wir am
Naturfreundehaus den Nachmittag bei Gegrilltem und gekühlten Getränken
ausklingen ließen.
Sehr herzlich bedankten wir uns bei unserem Reiseleiter Dieter Richter für
die perfekte Organisation dieser erlebnisreichen und kulturell
hochinteressanten Sommertour. N.Z.
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